Autorin: Linda Jacobs
Ausgleichsenergie gleicht rechnerische Differenzen auf dem Strommarkt aus, die entstehen, wenn mehr Strom erzeugt oder verbraucht wird als prognostiziert. Diese Abweichungen betreffen nicht das physikalische Stromnetz direkt – dafür ist die Regelenergie zuständig –, sondern das bilanzielle Gleichgewicht zwischen Einspeisung und Entnahme innerhalb sogenannter Bilanzkreise.
Ein Bilanzkreis ist ein virtuelles Energiemengenkonto. Er wird von Bilanzkreisverantwortlichen (BKV) geführt und umfasst entweder Stromerzeugungsanlagen, Verbrauchseinheiten oder Handelsaktivitäten. Für jede Viertelstunde eines Tages meldet der BKV einen Fahrplan an den Übertragungsnetzbetreiber (ÜNB), der angibt, wie viel Strom eingespeist oder entnommen wird. Doch Prognosen sind nie hundertprozentig treffsicher – insbesondere bei fluktuierenden Einspeisern wie Photovoltaikanlagen oder beim wetterbedingten Mehrverbrauch durch Wärmepumpen.
Wenn die tatsächliche Einspeisung oder der tatsächliche Verbrauch vom Fahrplan abweicht, entsteht ein bilanzieller Saldo. Um diesen zu korrigieren, greifen die ÜNB auf Regelenergie zurück. Die dabei entstehenden Kosten werden über das Ausgleichsenergiesystem dem verursachenden Bilanzkreis zugewiesen. Auf diese Weise wird sichergestellt, dass alle Marktbeteiligten möglichst präzise planen – ein Grundprinzip des deutschen Strommarktes.
Ausgleichsenergieabrechnung erklärt
Die Abrechnung erfolgt viertelstündlich über den sogenannten reBAP, den regelzonenübergreifenden einheitlichen Ausgleichsenergiepreis. Er wird im Rahmen des Netzregelverbunds von den vier deutschen Übertragungsnetzbetreibern (Amprion, TenneT, 50Hertz, TransnetBW) berechnet und auf netztransparenz.de veröffentlicht.
Der reBAP ergibt sich aus den Kosten der eingesetzten Regelarbeit sowie der dazugehörigen Energiemenge in allen vier Regelzonen. Das bedeutet: Wenn in einer Viertelstunde viel Regelenergie benötigt wird, etwa wegen stark schwankender Einspeisung durch PV-Anlagen bei durchziehenden Wolken, steigt der Preis. Dieser Preis gilt deutschlandweit einheitlich – unabhängig davon, in welcher Regelzone die Abweichung entstanden ist.
Die Preise können auch negativ sein, etwa wenn zu viel Strom eingespeist wurde und der ÜNB Energie aus dem Netz abnehmen muss. Das kann bei starker Solarstromeinspeisung am Mittag und gleichzeitig geringer Nachfrage vorkommen. Der Preis wird in EUR/MWh angegeben und steht in einem symmetrischen Verhältnis – es gibt keinen Preisunterschied zwischen Über- und Unterdeckung.
Nicht die Stromverbraucher selbst, sondern die Bilanzkreisverantwortlichen sind verpflichtet, die Ausgleichsenergiekosten zu tragen. Diese geben die Kosten unter Umständen über ihre Stromtarife an die Endkundschaft weiter, müssen jedoch selbst für die Bilanzkreistreue sorgen. Um unnötige Kosten zu vermeiden, ist es für Energieversorger also wirtschaftlich sinnvoll, Fahrpläne möglichst genau an die Realität anzupassen.
Besonders bei kleinen Erzeugungsanlagen wie Solaranlagen auf Einfamilienhäusern oder dem Verbrauchsverhalten von Wärmepumpen ist eine präzise Prognose herausfordernd. Die Kombination aus wetterbedingten Schwankungen und steigender Zahl dezentraler Einspeiser erhöht die Anforderungen an das Bilanzkreismanagement. Mit der Einführung intelligenter Messsysteme – Smart Meter – lassen sich Erzeugung und Verbrauch in Echtzeit besser erfassen und Fahrplanabweichungen reduzieren.
Die Ausgleichsenergie ist eng mit dem physischen Netzausgleich durch Regelenergie verknüpft. Während Regelenergie kurzfristig tatsächliche Leistungsabweichungen ausgleicht, verteilt die Ausgleichsenergie die dabei entstehenden Kosten verursachergerecht. Damit schafft sie einen finanziellen Anreiz für präzise Prognosen und zuverlässige Fahrplanführung.
Das System aus Bilanzkreismanagement, Regelenergie und Ausgleichsenergie ist darauf ausgelegt, die Marktverantwortung zu stärken. Die Plattform SMARD der Bundesnetzagentur zeigt in Echtzeit, wie viel Ausgleichsenergie abgerufen wurde und zu welchem Preis. Diese Transparenz hilft dabei zu verstehen, wie Strommarktakteure auf Abweichungen reagieren und welche wirtschaftlichen Konsequenzen sich daraus ergeben.
Mit Hilfe digitaler Steuerungslösungen, Speicher und flexibler Lasten lässt sich das System künftig noch effizienter gestalten. So können PV-Anlagenbetreiber oder Wärmepumpennutzer durch netzdienliche Betriebsweisen aktiv dazu beitragen, Abweichungen zu reduzieren – etwa durch zeitlich optimiertes Einspeisen oder durch Wärmespeicherung in Phasen hoher Einspeisung. Das stärkt nicht nur die Netzsicherheit, sondern hilft auch, Kosten für alle Beteiligten zu senken.